Für uns Designer:innen ist es nicht schwer, pessimistisch in die Zukunft zu schauen: Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch, und die alte Gewissheit, dass ein Computer niemals selbst schöpferisch arbeiten und dabei sogar die menschliche Kreativität übertreffen wird, steht zunehmend unter einem großen Fragezeichen: Ein Blick auf die Bilder, welche die AI malt, die Gedichte, die sie schreibt, die Musik, die sie komponiert, den Code, den sie erzeugt, und - ja - die Designs, die sie entwirft, genügt, um diese alten Wahrheiten ins Wanken zu bringen.
Noch ist die KI nicht perfekt, aber der Weg ist klar: In einigen Bereichen ist die künstliche Intelligenz bereits überragend – und in den verbleibenden Feldern wird sie in einem schwindelerregenden Tempo immer besser. Ihre Leistungen in der Bilderkennung und dem Lese- und Sprachverständnis haben heute bereits menschliches Niveau übertroffen.
Die Geschichte ist voll von Beispielen, in denen die Einführung einer neuen Technologie Arbeitsplätze verdrängt hat. Man denke nur an die frühe industrielle Revolution, als die Automatisierung in der Textilwirtschaft zu einem weit verbreiteten Verlust von Arbeitsplätzen und schließlich zu den Ludditen-Aufständen führte.
Aber die Geschichte ist auch voll von Beispielen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze auf Grundlage technologischer Innovationen. Wir haben, zumindest im Moment, noch etwas im Büro zu tun, oder? Es ist eine völlig andere Arbeit als die, die wir vor hundert Jahren gemacht hätten, aber es ist Arbeit – und wir machen sie jeden Tag. Oder wie David Holz, CEO von Midjourney, kürzlich in einem Interview sagte:
Was bedeutet es, wenn Computer eine bessere visuelle Vorstellungskraft haben als 99 Prozent der Menschen? Das bedeutet nicht, dass wir aufhören werden, uns etwas vorzustellen. Autos sind schneller als Menschen, aber das bedeutet nicht, dass wir aufhören zu laufen. Wenn wir große Mengen an Material über große Entfernungen transportieren wollen, brauchen wir Motoren, egal ob es sich um Flugzeuge, Boote oder Autos handelt. Und wir sehen diese Technologie als einen Motor für die Vorstellungskraft.
Wenn wir also darüber nachdenken, was wir als Designer:innen in Zukunft noch zu tun haben werden oder wie sich unsere Arbeit verändern wird, dann sind für mich vor diesem Hintergrund drei Szenarien vorstellbar:
- KI wird Designer:innen komplett überflüssig machen (unser ganz eigener Luddite-Moment ist vielleicht näher, als wir denken!)
- KI wird vor allem unsere Produktivität erhöhen, aber auch den Wert unserer Arbeit mindern
- KI wird die Rolle von uns Designer:innen grundsätzlich verändern und letztlich neue Aufgaben für uns schaffen
Um ehrlich zu sein: Einen tiefen Blick auf das erste Szenario zu werfen, ist für mich nicht wirklich spannend. Viel interessanter ist es sich anzusehen, wie uns KI bei unserer täglichen Arbeit unterstützt und zu überlegen, mit welchen neuen Aufgaben wir uns schon bald konfrontiert sehen könnten.
KI wird unsere bestehende Designproduktivität erhöhen
In kaum einem Bereich haben LLMs (Large Language Models – die "KI" z.B. hinter ChatGTP, Google Bart, usw.) bereits so einen großen Einfluss auf die tägliche Arbeit, wie bei der Softwareentwicklung. Es gibt kaum Programmierer:innen, der sich nicht schon einmal ein Codeschnipsel von ChatGTP haben generieren lassen.
Eine der faszinierendsten aktuellen Anwendungen in diesem Bereich ist Co-Pilot von GitHub. Dabei handelt es sich um ein Programm, das im Grunde in der IDE der Programmierer:innen sitzt und den von ihnen geschriebenen Code automatisch vervollständigt. Für Software-Ingenieur:innen ist es eine ähnliche Erfahrung wie das "Pair-Programming", bei dem zwei Entwickler:innen gemeinsam ein kniffliges Problem angehen.
Und ich glaube, hier liegt der Schlüssel: Wir müssen die KI als einen spezialisierten Teamkollegen betrachten, der uns hilft, bestimmte Aufgaben übernimmt oder uns Feedback zu bisherigen Ergebnissen gibt.
Am besten kann man sich das vielleicht anhand eines Beispiels vorstellen. Typischerweise startet jedes Designprojekt mit einer ausgiebigen Recherche. Wir müssen uns ein Bild von der Branche und dem Wettbewerb, aber auch von den aktuellen Problemen und Herausforderungen der potenziellen Kund:innen verschaffen. Ebenso schauen wir natürlich immer nach bewährten Herangehensweisen und Mustern, die bei ähnlichen Problemen erfolgreich angewendet wurden. Die Suche nach diesen Daten, das Sammeln und Zusammenfassen ist etwas, das unsere KI-Forschungsassistentin "Julia" sehr gerne übernimmt. Wir geben ihr unseren Auftrag als Kontextbeschreibung mit und schicken sie los, das Web nach geeigneten Materialien zu durchforsten. Wenig später bekommen wir dann von ihr ein aufbereitetes Dossier mit Links und Grafiken zur Verfügung gestellt.
In einer späteren Phase müssen wir dann die grafische Designrichtung für die Benutzeroberfläche festlegen. Oft bedeutet das, dass man viele Variationen eines Hauptlayouts erstellen muss. Eine Aufgabe, die unsere Junior UI Design AI "Peter" in Angriff nehmen kann. Nachdem wir ihm unsere Figma-Datei hochgeladen haben, macht er sich an die Arbeit und erstellt Variationen auf der Grundlage unserer anfänglichen Arbeit und der Aufforderungen, die wir ihm schriftlich mitgeteilt haben. Unsere Rolle ist jetzt die eines Art Directors - wir entscheiden, welchen Weg er weiterverfolgen soll und welche wir aufgeben.
Das klingt vielleicht alles noch etwas weit hergeholt, aber die Idee ist eigentlich gar nicht so neu. Alvin Goldman beschrieb diese Art von "episdemischen Agenten" bereits 1999. Und durch die Einführung von "Custom GTPs" durch OpenAI sind wir dem Traum von selbständig im Web agierenden Agent:innen schon ein ganzes Stück näher. Unternehmen wie rabbit versuchen hier sogar noch eine Schippe draufzulegen und die AI zu wirklichen Assistent:innen zu machen, die mit Anwendungen im Netz nicht mehr nur über APIs agieren muss, sondern wie wir Interaktionen in der grafischen Oberfläche durchführen kann und so potenziell jedes Computerprogramm bedienen kann (ob das tatsächlich schon in der ersten Version so gut funktioniert, steht noch etwas in den Sternen). All das zeigt: Die Bausteine für richtige AI-Agent:innen sind jetzt da.
Wie Noah Smith anmerkt, hat Anthropic (ein KI-Forschungsunternehmen) in einer seiner Studien bereits herausgefunden, dass Menschen, die mit einer KI zusammenarbeiten, produktiver sind als entweder die KI oder ein Mensch allein. Die Verwendung eines sogenannten "Sandwich-Workflows", bei dem ein Mensch der KI Anweisungen gibt, die KI Ergebnisse liefert und der Mensch dann das Gelieferte verfeinert, scheint eine gängige Arbeitsweise für die Zukunft zu sein. Das Ergebnis wird sein, dass ein großer Teil der stumpferen Designarbeit wegfällt. Dies hat das Potenzial, mehr Raum und Zeit für sorgfältige Überlegungen und ausgefeiltere Konzepte zu schaffen. Auf der anderen (eher realistischen) Seite kann es so vor allem zu einer Verringerung der Zeit und Kosten kommen, um die gleichen Ergebnisse wie heute zu erzielen. Die Arbeit wird effizienter.
KI wird die Rolle der Designer:innen verändern
Für Designer:innen könnte dies letztlich eine Abwertung ihrer bisherigen Arbeit bedeuten. Massenproduktion und Preiswettkampf können erfolgreiche Strategien sein – allerdings wird das, wie bei allen Massenprodukten, innerhalb eines extremen Wettbewerbs stattfinden.
Auch die Alternative dazu wird immer deutlicher: Man lehnt KI-unterstützte Arbeit ab und versucht, sich ausschließlich auf das Handwerk selbst zu konzentrieren. "Handgemachtes Design" kann für Marken und Nutzer:innen, die Tradition und Perfektion schätzen, einen hohen Preis erzielen. Vor allem aber, wie Even Pushak im Kontext von Literatur feststellte, würden es viele Designer:innen sicherlich vorziehen, bei der eigentlichen Gestaltung noch selbst Hand anzulegen und ihre eigene Problemlösungskompetenz und visuelle Kreativität einzusetzen.
Über kurz oder lang wird sich aber der Beruf für einen Großteil der Designer:innen jedoch fundamental verändern. Weg vom Erstellen und hin zum Führen: Die neuen Designer:innen helfen nicht den Nutzer:innen (das wird die KI sehr gut können), sondern der KI selbst, den Fokus, die richtige Tonalität oder den passenden visuellen Ausdruck zu finden. Designer:innen werden als Filter oder Kurator:innen fungieren und die Nutzer:innen vor der Überforderung eines endlosen Pools von Optionen und Permutationen schützen.
Letztendlich ist es schwer, vorherzusagen, wie sich der Beruf entwickeln wird. Aber es ist ziemlich klar, dass ein Wandel bevorsteht, und wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie wir ihn bewältigen können. Wir alle sollten nach den sich daraus ergebenden Möglichkeiten Ausschau halten, um auf das reagieren zu können, was da kommen wird.